Holzbauoffensive - ein Überblick
Forschungsziele
Die Stadt Ettlingen verfolgt mit ihrem Klimaschutzkonzept das Ziel, die Treibhausbilanz künftiger Quartiere in den Mittelpunkt zu stellen und dafür innovative Ansätze von Quartierslösungen frühzeitig bei der Konzeption zu berücksichtigen. Der städtische Forst von Ettlingen wird in Zukunft zudem einen hohen Buchenanteil haben. So lag der Laubholzanteil bei der letzten Bestandsaufnahme 2018 des Forstes bereits bei ca. 79 % des Waldbestandes. Unter diesen Aspekten wurden Forschungsgelder bei der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg beantragt, um zu den beschriebenen Problematiken Lösungsansätze zu generieren und die Ergebnisse in einem beispielhaften Bau umzusetzen.
Ziel der Forschung ist es, durch die Buchenholznutzung ein ressourceneffizientes Holzbausystem mit wiederverwendbaren Konstruktionen zu entwickeln. Durch die Veränderung der Bauweise kann die im Holzbau genutzte Holzart an die klimatische Entwicklung angepasst werden, anstatt mit verlängerten Lieferwegen (z.B. skandinavisches Fichtenholz) aber der gleichen Bauweise zu verfahren. So wird die lokale Holznutzung gefördert und kleine und mittelständische Betriebe in der Region werden gestärkt. Durch die Einbindung der Vergabeprozesse für öffentliche Ausschreibungen in die Forschung soll eine Übertragbarkeit und Skalierung auf andere Gemeinden sicherstellt werden. Zudem müssen die bestehenden Bilanzierungsgrenzen und -methoden angepasst werden, um die ökologische Auswirkung einer lokalen Wertschöpfungskette ganzheitlich erfassen zu können.
Vor diesem Hintergrund soll ein mehrgeschossiger Wohnungsbau aus Buchen-Vollholz für die städtische Wohnbaugesellschaft (Stadtbau GmbH Ettlingen) entwickelt werden. Das verwendete Buchenholz soll dabei aus dem Ettlinger Stadtwald kommen und von lokalen Betrieben verarbeitet werden. Die Erarbeitung von Konstruktionsprinzipien, die keinen Einsatz von industriell verarbeitetem Holz fordern, soll ebenfalls Gegenstand der Forschung werden. Das Vorhaben möchte industrialisierte Holzprodukte dabei nicht in Frage stellen, sondern vielmehr in Ergänzung dazu die regionale Holznutzung und die damit verbundene Wertschöpfungskette beleben.
Forschungsstand
Als Ergebnis einer ersten Recherchephase zu bestehenden Verarbeitungstechniken von Buchenholz sowie der Analyse bestehender Beispiele (fast ausschließlich im Ausland) haben sich zum einen die mangelnde Erfahrung mit Buchenvollholz als Konstruktionsholz, als auch ein erschwerter und langwieriger Trocknungsprozess größerer Querschnitte als Kernproblematiken herausgestellt. So wurde im Schweizer Büttenhardt zum Beispiel ein Ferienheim von bernath+widmer mit ganzen Balken aus Laubholz realisiert. Die Motivation galt in erster Linie der Nutzung des waldeigenen Holzes des Auftraggebers. Zur Realisierung wurde eine neue Bohr- als auch Trocknungstechnik in kleiner Stückzahl mit hohem Aufwand erprobt. Diese Techniken konnten qualitativ überzeugen, sind aber für größere Betriebe wirtschaftlich nicht abbildbar. Bestehende Produktionsketten müssten angepasst werden, damit die wirtschaftliche Umsetzung für lokale Sägewerke und eine mögliche Skalierbarkeit infrage kommt.
Nach engem Austausch mit lokalen Holzverarbeitungsbetrieben (wie dem Laubholzsägewerk Wöhr) wurde in einem abschließenden Workshop diskutiert mit welchen Querschnitten mögliche Bauteile hergestellt werden können. Hierbei war zum einen wichtig, dass Baustoffe verwendet werden, die von den Sägewerken wirtschaftlich produziert werden können, ohne signifikant in den Produktionsablauf eingreifen zu müssen. Zum anderen waren die baukonstruktiven Parameter einer tragenden mehrgeschossigen Konstruktion fundamental für die minimale Dimensionierung der einzelnen Querschnitte. Infolge dessen wurde bei der weiteren Planung von der Nutzung größerer Balken abgesehen und der Fokus auf eine Rahmenbauweise gelegt. Die Decken können durch Anreihung der produzierbaren Querschnitte als Vollholzelemente ausgebildet werden, sind in Ihrer Spannweite allerdings beschränkt. Anhand der definierten Querschnitte und Längen wurden mögliche Wand- und Deckenaufbauten entwickelt und in die Planung übernommen.
Parallel zu der konstruktiven Materialforschung wurden die grundlegenden Parameter des Umsetzungsprojektes in Absprache mit der Stadt Ettlingen und dem möglichen Bauträger, der Stadtbau Ettlingen, definiert. Es wurde ein Grundstück in der Dieselstraße in Ettlingen ausgewiesen, auf dem eine 4-geschossige Bebauung in dem entwickelten Bausystem als Effizienzhaus 40 errichtet werden soll. Es sollen 10 förderfähige Wohneinheiten mit geringen Mieten entstehen. Die kompakten 1-3 Zimmer Wohnungen ermöglichen eine kleinteilige Rasterung. Dadurch können die Spannweiten der Decken klein gehalten und das entwickelte System angewendet werden. Auf ein Kellergeschoss wird verzichtet.
Ausblick
Die Umsetzung der Forschung in die Realität wird letzten Endes von zahlreichen Baurichtlinien und Normen bedingt. Die hohen Brandschutzanforderungen der Gebäudeklasse 4 beschränken so beispielsweise die Materialwahl, der sowohl Innen- als auch Außenverkleidung und diese wird den ambitionierten Zielen der Forschung nicht gerecht. Differenziertere Anforderungen der Muster-Holzbaurichtlinie für die Gebäudeklasse 4 oder aber das Einführen eines Gebäudetyps „E“ (Experimentell) könnten Abhilfe leisten, damit Projekte wie dieses, mit noch deutlich größerem ökologischen Einfluss geplant und realisiert werden können und als Leuchtturmprojekte einen sinnvollen Beitrag zur Bauwende leisten.
Da aktuell eine rechtliche Entspannung nicht absehbar ist, sollen parallel zu dem normgerechten Realisierungsprojekt noch weitere ökologisch optimierte Bauteilaufbauten entwickelt werden. Dadurch kann im direkten Vergleich aufgezeigt werde wie groß die Potenziale innovativer Lösungen sind und warum es sich lohnen würde alte Normen und Richtlinien an neuere Bautechniken und Konstruktion anzupassen.
Eine weitere zentrale Problematik besteht in der Vergabe an lokale Betriebe, um die regionale Wertschöpfungskette zu stärken. Durch Vorgaben europaweiter Ausschreibeverfahren öffentlicher Bauten können diese Parameter nur schwer eingehalten werden und ein positiver ökologischer Effekt durch Minimierung von Transportwegen bleibt aus. Hier gilt es innerhalb des rechtlichen Rahmens mögliche Lösungen für lokale Vergaben zu finden, ohne dabei eine Wettbewerbsverzerrung zu begünstigen. Ein Ansatz hierbei könnte die bauseitige Bereitstellung von Rohmaterialien (in diesem Fall Buchenholz aus dem Ettlinger Forst) sein. Es bleibt zu prüfen, ob eine derartige Präzisierung in der Materialwahl rechtskonform ist und eine Lösung zum dargestellten Problem bietet.
Zu hoffen bleibt, dass durch die angestrebte Musterplanung sowie durch die Öffentlichkeitsarbeit, die geplanten Workshops und durch den Aufbau von regionalen Netzwerken eine Übertragbarkeit und möglicherweise auch eine Skalierbarkeit dieses Vorhabens zu erwarten ist. Die Realisierung des Projektes soll dem Vorhaben Sichtbarkeit verleihen und mittels umfassender Dokumentation das Konzept auf andere Kommunen und Gemeinden übertragbar machen.