Holzbauoffensive Ettlingen
Mehrgeschossiger Buchenholzbau zur Stärkung regionaler Wertschöpfung
In Zeiten des Klimawandels hat die Baubranche eine große Verantwortung zu tragen, da ein beachtlicher Teil der verursachten Treibhausgase (ca. 40%) auf diese zurückzuführen sind. Es ist eine Bauwende gefordert, die sich dieser Problematik annimmt. Durch innovative Bauarten und die Nutzung alternativer Materialien könnten die Emissionen künftig erheblich gesenkt werden. Da Holz ein nachwachsender Rohstoff ist und zudem CO2 speichern kann, ist die Nutzung von Holz in tragenden Konstruktionen ein bereits weit verbreiteter Ansatz, um den ökologischen Fußabdruck von Neubauten zu reduzieren. Aktuell wird fast ausschließlich Nadelholz genutzt, denn es wächst schnell nach, ist in großen Mengen verfügbar und leicht zu verarbeiten. In Folge der fortschreitenden Klimaveränderungen und dem daraus resultierenden Waldumbau der (deutschen) Wälder werden sich die Nadelholzanteile allerdings immer weiter verringern.
Um möglichst weiterhin mit lokalen Materialien und damit kurzen Transportwegen nachhaltig bauen zu können, wäre der Einsatz von Laubholz im Hochbau eine sinnvolle Alternative. Rechtlich stellt dies keine Herausforderung dar, da eine Normung von Buchen-Vollholz, welche Sortierkriterien und Festigkeiten vorgibt, bereits existiert. Laubholz kann somit für tragende Bauteile eingesetzt werden und hat sogar bessere statische Eigenschaften als Nadelholz, z.B. eine höhere Rohdichte und Druckfestigkeit.
Buchenholz wird aktuell, je nach Qualität, direkt als Feuerholz genutzt oder im Sägewerk verarbeitet. Im Möbelbau oder auch als Handlauf ist die Lebensdauer deutlich länger als zu Zellstoff verarbeitet, die CO2 speichernden Eigenschaften des Holzes kommen aber in keinem Zustand signifikant zum Tragen. Dabei speichert Buchenholz, aufgrund seiner höheren Dichte, etwa 30% mehr CO2 als Nadelholz.
Historisch gesehen wurde Buchenholz wegen der langen Trocknung, seiner hohen Feuchteempfindlichkeit und der schwereren Bearbeitung nicht als Bauholz eingesetzt. Fehlende Kenntnis zu Verbindungsmitteln und die geringe Anzahl an verarbeitenden Sägewerken kommen noch hinzu. Deshalb gibt es heute weder im Handwerk noch auf Seiten der Planenden nennenswerte Erfahrungen mit Buchenholz als Bauholz.
Durch technologische Entwicklungen, einen breiteren Wissensstand über Holzverarbeitung und einen höheren Vorfertigungsgrad gibt es heutzutage jedoch die Möglichkeit, die Schwächen von Laubholz auszugleichen und dieses unbehandelt auch im Hochbau zu verwenden. Als Industrieprodukt wird Buchenholz schon in geschichteter und verleimter Form eingesetzt. Gerade im mehrgeschossigen Holzbau kommen immer wieder industrialisierte Holzprodukte zum Einsatz. Diese werden jedoch in großen Anlagen hergestellt, wodurch kleinere, lokal angesiedelte Holzbaubetriebe immer häufiger aus Wertschöpfungsketten ausgeschlossen werden.
Zielsetzung
Die Stadt Ettlingen verfolgt mit ihrem Klimaschutzkonzept das Ziel, die Treibhausbilanz künftiger Quartiere in den Mittelpunkt zu stellen und dafür innovative Ansätze von Quartierslösungen frühzeitig bei der Konzeption zu berücksichtigen. Der städtische Forst von Ettlingen wird in Zukunft zudem einen hohen Buchenanteil haben. So lag der Laubholzanteil bei der letzten Bestandsaufnahme 2018 des Forstes bereits bei ca. 79 % des Waldbestandes. Unter diesen Aspekten wurden Forschungsgelder bei der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg beantragt, um zu den beschriebenen Problematiken Lösungsansätze zu generieren. Die Ergebnisse sollen im Anschluss an die Forschung in einem beispielhaften Bau umgesetzt werden.
Ziel der Forschung ist es, durch die Buchenholznutzung ein ressourceneffizientes Holzbausystem mit wiederverwendbaren Konstruktionen zu entwickeln. Durch die Veränderung der Bauweise kann die im Holzbau genutzte Holzart an die klimatische Entwicklung angepasst werden, anstatt mit verlängerten Lieferwegen (z.B. skandinavisches Fichtenholz) aber der gleichen Bauweise zu verfahren. So wird die lokale Holznutzung gefördert und kleine und mittelständische Betriebe in der Region werden gestärkt. Durch die Einbindung der Vergabeprozesse für öffentliche Ausschreibungen in die Forschung soll eine Übertragbarkeit und Skalierung auf andere Gemeinden sicherstellt werden. Zudem müssen die bestehenden Bilanzierungsgrenzen und -methoden angepasst werden, um die ökologische Auswirkung einer lokalen Wertschöpfungskette ganzheitlich erfassen zu können.
Vor diesem Hintergrund soll ein mehrgeschossiger Wohnungsbau aus Buchen-Vollholz unter Berücksichtigung der Anforderungen der städtische Wohnbaugesellschaft (Stadtbau GmbH Ettlingen) beispielhaft entwickelt werden. Das verwendete Buchenholz soll dabei aus dem Ettlinger Stadtwald kommen und von lokalen Betrieben verarbeitet werden. Die Erarbeitung von Konstruktionsprinzipien, die keinen Einsatz von industriell verarbeitetem Holz fordern, soll ebenfalls Gegenstand der Forschung werden. Das Vorhaben möchte industrialisierte Holzprodukte dabei nicht in Frage stellen, sondern vielmehr in Ergänzung dazu die regionale Holznutzung und die damit verbundene Wertschöpfungskette beleben.
Für die Musterplanung wurde ein Grundstück in der Dieselstraße in Ettlingen ausgewiesen, auf dem eine 4-geschossige Bebauung in dem entwickelten Bausystem als Effizienzhaus 40 errichtet werden kann. Es werden 10 förderfähige Wohneinheiten mit geringen Mieten geplant. Die kompakten 1-3 Zimmer Wohnungen ermöglichen eine kleinteilige Rasterung. Dadurch können die Spannweiten der Decken klein gehalten und das entwickelte System angewendet werden. Auf ein Kellergeschoss wird verzichtet.