Gemeinderat: Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums beschlossen

Blick auf die bestehende Notfallpraxis; an gleicher Stelle soll Anfang Januar das Versorgungszentrum öffnen

Ettlingen wird ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum bekommen. Der Gemeinderat beschloss am Dienstag, 16. September, die Verwaltung zum 1. Januar 2026 mit der Gründung einer kommunalen Betreibergesellschaft „Medizinisches Versorgungszentrum Ettlingen, kurz MVZ Ettlingen als GmbH zu beauftragen. Von 25 stimmberechtigten Gemeinderätinnen und -räten inklusive Oberbürgermeister Johannes Arnold stimmten 17 dafür, einer dagegen, sieben enthielten sich. Damit, so die Absicht des Projekts, das zunächst auf drei Jahre hin konzipiert und nach zwei Jahren auf den Prüfstand kommen wird, soll der Zugang der Bevölkerung zu allgemeinmedizinischer Versorgung in den Randzeiten verbessert werden. Anlass ist, dass die bestehende Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) nach deren Willen Ende November geschlossen wird. 7.000 Patienten pro Jahr verzeichnete die Praxis, gewichtiger Grund für den Gemeinderat, im Ende Mai dieses Jahres die Verwaltung zu beauftragen, als Alternative die Gründung eines MVZ zu prüfen.

Untergebracht wird die Einrichtung in den Räumen der bisherigen Notfallpraxis (Foto), die Öffnungszeiten sollen Montag, Dienstag und Donnerstag 18 bis 21 Uhr sein, Mittwoch und Freitag 16.30 bis 21 Uhr. Samstags wird das MVZ 10 bis 14 sowie 15 bis 18 Uhr geöffnet sein, sonntags bleibt es geschlossen. Mit 25 Wochenstunden wird das MVZ die Öffnungszeiten der Notfallpraxis noch übertreffen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat sein Plazet signalisiert, ebenso die KV.
 

Die hausärztliche Versorgung in Ettlingen ist seit Jahren angespannt. Aktuell sind nach den Planungen der KV und bestätigt durch das Gesundheitsamt des Landkreises 14 Hausarztsitze unbesetzt. Hinzu kommt, dass viele Hausärzte über 60 Jahre alt sind und Praxisschließungen kommen werden.
Eine Lösung durch einen privaten Träger zerschlug sich, die KV blieb uneinsichtig, so dass die Stadt die Gründung eines MVZ in Betracht zog, was nach Bundesversorgungsstärkungsgesetz möglich ist. Ziel ist es, die ambulante medizinische Versorgung zu stabilisieren und die Hausärzte zu entlasten, ohne eine Konkurrenz für sie zu etablieren. Dazu wird die Stadt in enger Abstimmung mit den Hausärzten bleiben, so ist für sechs Monate nach Inbetriebnahme des MVZ ein Evaluationstermin mit den Ettlinger Praxen geplant. Der Gemeinderat wird mittels Halbjahresberichten über die Situation informiert.  

Geschäftsführer der GmbH wird der Leiter des Amts für Bildung, Jugend, Familie und Senioren, Sebastian Becker, er stellte die Rahmenbedingungen im Rat kurz vor. Stellvertreterin wird die persönliche Referentin des OBs, Verena Mückschel. Özcan Aydemir, der in der Notfallpraxis arbeitet, und Dr. Michael Rosner werden als Ärzte angestellt, die medizinische Leitung übernimmt Herr Aydemir und es gibt einen Springer-Pool für Vertretungsfälle. Die medizinischen Fachangestellten und somit ein eingespieltes Team werden weitgehend übernommen auf Basis eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses.  Beratende Unterstützung zugesagt haben Dr. Huber sowie Dr. Pick-May, beide gehören bzw. gehörten dem Vorstand der Notfallpraxis an.

Der Organisationsaufbau umfasst die Gesellschafterversammlung mit dem OB als Vorsitzendem und dem Gemeinderat als Mitglieder, auf einen Aufsichtsrat habe man bewusst verzichtet, um die Struktur schlank zu halten, so Becker.  
Zu den Kosten werden in den ersten beiden Haushaltsjahren noch Verluste erwartet, die auf insgesamt 63.000 Euro geschätzt werden, ab 2028 könnte sich das Ergebnis ins Positive drehen. Das MVZ könnte sich dann bestenfalls schon selbst tragen und würde keine städtischen Zuschüsse mehr benötigen.

Mittelfristig und zur Kostenkonsolidierung soll das MVZ zu einer gewöhnlichen Hausärztlichen Praxis entwickelt werden, die zusätzlich die verlängerten Öffnungszeiten abbildet. Dazu wurde ein Stufenmodell entwickelt, das für die Jahre 2027 und 2028 die Einstellung zweier Mediziner in Teilzeit vorsieht. Auch dies würde keine Konkurrenz zu den Hausärzten darstellen, sondern diese entlasten.   

Die Stammeinlage der GmbH beträgt 25.000 Euro, die Mittel werden durch nicht verausgabte Gelder gedeckt. Zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses in der Anlaufphase wird die Stadt dem MVZ einen Kredit in Höhe von 150.000 Euro gewähren, marktüblich verzinst und mit Tilgung bei positivem Liquiditätsergebnis. Hinzu kommt eine gesetzlich festgelegte Sicherheitsleistung als Bürgerschaft der Stadt gegenüber der KV in Höhe von 2,1 Mio. Euro, dieses Risiko soll durch eine Versicherung minimiert werden. 

OB Arnold dankte dem Gemeinderat für die Unterstützung des Vorhabens und betonte, dass Kommunen mittlerweile häufig Aufgaben des Bundes schultern müssten, von der Ganztagesbetreuung über die Flüchtlingsunterbringung bis zur ambulanten medizinischen Versorgung; inzwischen gingen mehrere Städte in Baden-Württemberg diesen Weg. Das finanzielle Risiko sei überschaubar und die Entwicklung in Sachen Hausarztpraxen lasse vermuten, dass sich die Situation weiter verschlechtern werde. „Wir stellen uns der Herausforderung!“, betonte er abschließend. Was jetzt noch etwas Besonderes sei, werde Standard werden.